Reiseinformationen Marokko - Mauretanien - Tunesien

Sidi Bou Said

malerische andalusische Stadt

Sidi Bou Said mit seinen knapp 5.000 Einwohnern ist einer der teuersten Wohnorte und beliebtes Ausflugsziel der Tunesier wie der ausländischen Urlauber. Die verträumten Ecken und lauschigen Cafés bilden vor allem das Dorado der Verliebten. 1912 entdeckte der französische Bankier Baron Rodolphe d'Erlanger dieses reizende Dorf auf dem hohen Felsen Kap Karthago und war begeistert. Er setzte 1915 einen umfassenden Denkmalschutz durch und erreichte, dass bis heute glücklicherweise alle Neubauten im gleichen andalusischen Stil der weißen, kubischen Häuser mit den blauen Holzveranden, Fenstergittern und Nageltüren gebaut werden.
Der Maler, Musiker und Musiktheoretiker ließ auf dem Hügel von Sidi Bou Said ein Palais nach seinen Vorgaben errichten. 1922 war das Privatpalais vollendet und bis zu seinem Tod 1932 lebte Rodolphe d'Erlanger dort mit seiner Familie. Der Palast des Barons von Erlanger beherbergt heute das Zentrum für arabische und mediterrane Musik (Maalouf) mit einem Museum. Das Gebäude selbst beeindruckt mit seiner reichen Architektur, vom Garten bietet sich eine prächtige Sicht auf das Meer. Das bemerkenswerte Herrenhaus thront etwas abseits, auf einem südlichen Vorsprung des Hügels von Sidi Bou Said. Ob das Palais wohl deswegen den Beinamen "funkelnder Stern" bekommen hat, weil der vorgelagerte Golf von Tunis das Licht des Südens auf so unvergleichlich Weise reflektiert?
Für einen Besuch von Sidi Bou Said besser nicht das Wochenende wählen, dann herrscht ein ziemlicher Rummel. Die Hotelkapazitäten sind begrenzt, die meisten Besucher fahren nach wenigen Stunden zurück in ihre Quartiere. Man sollte daher unbedingt versuchen, eine Nacht im Ort zu wohnen, erst dann kann man das Flair dieses Künstlerdorfes richtig in sich aufnehmen. In der Saison aber rechtzeitig vorher buchen.

Geschichte
Schon zu römischer Zeit befand sich an dieser Stelle ein mit Tempeln und Palästen geschmückter, reicher Vorort von Karthago. Doch nach der Zerstörung wurde erst wieder im 9. Jh ein Ribat, d.h. ein befestigtes muslimisches Kloster des Sufi-Ordens, gegründet. Im 13. Jh. erlangte der Sufi Abu Said, ein unermesslich reicher Chemiker, bei der Bevölkerung großes Ansehen. Er half nicht nur den Armen, sondern eine Legende erzählt, er hätte bei einem Piratenangriff vom Meer die Kanonenkugeln mit seinem Mantel aufgefangen. Eine andere Geschichte berichtet von der Bekehrung eines mit dem Heiligen befreundeten christlichen Seefahrers zum Islam. Er bat den Alten als Zeichen der Wunderkraft seines Glaubens um ein Mittel gegen Schiffbruch. Abu Said gab dem Kapitän eine Schnur aus Kamelhaar, die um seinen Turban geschlungen war. Als das Schiff eines Tages tatsächlich unterging, wurde die Schnur in so viele Teile geschnitten, wie Männer an Bord waren. Alle erreichten mit dem Stück Schnur bei sich genau zu Füßen des Dorfes Sidi Bou Said lebend das Land, obwohl das Unglück weit entfernt geschehen war.
So erhielt denn auch die Ansiedlung den Namen des Heiligen. Noch heute wird die Grabstelle des Schutzpatrons in der Moschee von der Bevölkerung liebevoll gepflegt und besucht. Im August wird zu seinen Ehren ein Moussem mit Musik, ekstatischen Tänzen und dem Schlachten eines Kalbes gefeiert, das Fleisch an die Armen verteilt. Ein richtiges Dorf entstand erst im 16. Jh., als arabische Flüchtlinge aus Andalusien ankamen und mit ihren kubischen, weißen Häusern mit blauen Veranden das Ortsbild prägten. Mit sich brachten sie ihre Musik, den Maalouf.

Tipps zur Besichtigung
Egal von welcher Richtung der Besucher kommt - auch von der TGM-Bahn, immer erreicht er zunächst den Platz 7. November, das Herz des neuen Ortsteils mit Bank, Post, Supermarkt und Cafés. Autofahrer müssen den Wagen auf dem großen, gebührenpflichtigen Besucherparkplatz abstellen, der alte Kern ist für fremde Fahrzeuge gesperrt, nur Anwohner dürfen passieren. Die Hauptstraße in das Künstlerdorf geht steil bergan, vorbei an einem Brunnen, dem Heilkräfte zugesprochen werden und der zumindest ein gutes Trinkwasser liefert. Breite Stufen, gesäumt von pittoresken weißblauen Häusern führen direkt zum beliebtesten Treffpunkt, dem 300 Jahre alten Café des Nattes. Dieses im traditionellen türkischen Stil eingerichtete Café - Nattes nennen die Franzosen die Halfagrasmatten, auf denen man sitzt - wurde schon von dem  deutschen Maler August Macke gezeichnet und ist seitdem unverändert. Gemütlich wird es erst, wenn die Touristenbusse abgefahren sind. Dann trifft sich die einheimische Jugend mit den wenigen Fremden, die über Nacht bleiben. Da wird geplaudert, Wasserpfeife geraucht, der Jasminverkäufer bietet seine duftenden, Glück bringenden Sträußchen an. Raffiniert ist die Preisgestaltung. Einheimische zahlen nur ein Drittel des Touristenpreises (was man durchaus verstehen kann, bei dem Andrang). Wer aber im Ort übernachtet, wird bald so halb in den Verband aufgenommen und bekommt die niedrigen Insiderpreise. Um das Café die unvermeidlichen Souvenirläden, in denen die für den Ort typischen blauweißen Vogelkäfige aus Draht verkauft werden. Auch ohne Vogel sollen sie dem Haus Glück bringen.
Rechts vom Café führt ein Weg vorbei an den traditionellen Nougatverkaufsständen zu einem hübschen Aussichtspunkt mit Blick aufs Meer und zum Café Sidi Chaabane, auf dessen in Stufen gebauten Terrassen sich eine unvergleichliche Aussicht über den Golf von Tunis und auf die Villa des Baron d'Erlanger bietet. Maler und Liebespaare bevölkern die mit Halfagrasmatten gepolsterten Sitzbänke, aber auch Touristen haben schon dorthin gefunden.
Zahllose Stufen den Berg hinunter führen zum Jacht- und Fischerhafen. Wenn am Morgen die Fischkutter vom Fang zurückkehren, warten am Kai die Einkäufer der Fischrestaurants und Hausfrauen. Die Ausbeute ist eher mager und muss doch so viele Familien ernähren. Neben dem Hafen ist ein kleiner Sandstrand, und bis zur Bucht von Amilcar mit einem Strandhotel sind es nur wenige Schritte. Der Platz trägt den Namen mehrerer karthagischer Heerführer, dessen bekanntester im 5. Jh. mit einer Armee gegen die Griechen in Sizilien gezogen war und dort, nachdem die Niederlage drohte, den Opfertod in den Flammen suchte.